Saison 2019_2020
(Die meisten Theater-Bilder stammen von der Schauspielhaus-Homepage) |
15.9.19
Zentrum Paul Klee |
Alpenklang reloaded
Albin Brun Alpin Ensemble
"Brun erhielt 1995 einen Werkbeitrag von Stadt und Kanton Luzern und
1999 den Förderpreis der Gemeinde Kriens. 2001 wurde er mit dem
SAC-Kulturpreis geehrt. 2013 erhielt er den mit 25'000 Schweizer Franken
dotierten Kunst- und Kulturpreis der Stadt Luzern, weil er «mit seinem
breiten musikalischen Schaffen seit über dreissig Jahren die Jazz- und
Volksmusik sowie die Theaterlandschaft der Schweiz» präge. Er wurde 2017
vom Bundesamt für Kultur mit einem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet."
[wikipedia.org]
Wunderbar, dass Albin Brun die Volksmusik auf diese Art weiter
entwickelt: Äusserst präzise und musikalisch, überraschende Klänge,
Rhythmen und perfektes Zusammenspiel. Einfach sehr, sehr gut! |
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17.9.19
Schiffbau
Box |
Leonie Böhm
Kasimir und Karoline von Ö.v. Horvath
Ödön von Horváths Kasimir und Karoline beschreibt, was eine
Wirtschaftskrise mit einer Liebesbeziehung macht und wie diese intime
Beziehung letztendlich zerstört wird. In Leonie Böhms Inszenierung, die
sie während ihres Studiums erarbeitet hat und die ihr schlagartig grosse
Aufmerksamkeit an ihrer Universität bescherte, geht es indes weniger
darum, das Leben und Lieben der Kleinbürger*innen zu betrachten, als die
Kasimirs und Karolines in uns selbst zu suchen. Wie findet man einen
Standpunkt, bleibt persönlich und empfindsam und nah an den eigenen
Impulsen, gerade wenn Lebensläufe, Erfahrungen, die Zugehörigkeit zu
sozialen Milieus einen immer wieder festschreiben und trennen? "[schauspielhaus.ch]
Ganz schön deftig und auch gewöhnungsbedürftig. Will man Penislutschen
wirklich auf der Bühne sehen (erste Reihe)? Allerdings ist die
Inszenierung mit einem Mann als Karoline ein genialer Einfall! Und die
Schauspieler sind gut! |
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21.9.19
Schiffbau
Halle |
Yana Ross
Wunschkonzert von Franz Xaver Kroetz
"Es ist Abend. Eine Frau, allein in ihrem Apartment. Sie sieht uns
nicht. Aber wir, wir schauen ihr bei jeder noch so kleinen Handbewegung
zu. Abendessen, Fernsehen, Wohnungsputz, Kartenlegen: Rituale eines
scheinbar belanglosen Alltags.
In Yana Ross’ viel gereister Inszenierung von Wunschkonzert
schweigt die polnische Schauspielerin und neues Ensemblemitglied Danuta
Stenka, 80 Minuten lang. Eine offene, für das Publikum von allen Seiten
einsehbare Bühne verstärkt ihre Präsenz. Sie lebt dort, so unmittelbar
nah, dass die Zuschauer*innen die Magazine mitlesen können, die sie
aufschlägt. Ihre Welt ist nach einem geometrischen Plan angelegt und
völlig hermetisch – doch wer sie berühren wollte, müsste nur die Hand
ausstrecken. Zusammen mit dem Publikum entsteht ein Raum der stillen,
vibrierenden Konzentration, der mit einfachen Handlungen und
Handreichungen gefüllt wird, die nach und nach komische und absurde
Dimensionen annehmen. Wunschkonzert war ein Höhepunkt der
Wiener Festwochen 2016 und ist seitdem erfolgreich auf zahlreichen
internationalen Festivals gelaufen, bevor es nun zur Eröffnung des neuen
Schauspielhauses nach Zürich kommt. [schauspielhaus] |

Stille ist übertrieben, läuft doch praktisch ununterbrochen ablenkend
TV, Radio oder Computerspiel. Es läuft auf Tabletten-Selbstmord hinaus -
der Aufhänger für dieses Stück? Ich bin nah dran, aber nicht drin in
diesem Stück. |
24.9.19
Pfauen |
Christopher Rüping
Der Erste fiese Typ von Miranda Julys
"Schluckbeschwerden. Und einen Kloss im Hals, der einfach nicht
verschwinden will. Philip, ihr Kollege und seit jeher der «Liebhaber in
Gedanken», hat ihr deswegen einen Chromatherapeuten empfohlen. Und da
wird Cheryl Glickman, Anfang 40 und alleinstehend, ihm zuliebe auch
hingehen. Auch wenn sich schliesslich herausstellt, dass der über
60-jährige Philip eine andere liebt. Und – diese andere erst 16-jährig
ist. Eines Tages zieht Clee, die grad 20-jährige Tochter ihrer Chefs,
bei Cheryl ein. Clee hängt vor allem ab: Sie mag Fernsehen, Chips und
Cola Light. Zunächst heisst es, sie bleibe nur für ein paar Tage. Doch
dann breitet sie sich lust- und gewaltvoll in Cheryls Leben aus."
[Schauspielhaus]
Da weht ein neuer Wind! Sehr gute, vielseitige Inszenierung, kaum Längen
in den 2 1/4h. Etwas gar präsente "Claqueure" wären gar nicht nötig
gewesen! |

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26.9.19
Pfauen |
Moved bei the Motion
Sudden Rise
Sudden Rise ist das aktuelle Projekt der von Wu Tsang und boychild
begründeten Performance-Gruppe Moved by the Motion. ... Die
genreübergreifende Performance basiert auf Textfragmenten des von Moten,
Tsang und boychild verfassten Textes Sudden Rise at a Given
Tune. ... Als Komposition aus Worten, filmischen Bildern,
Bewegungen und Geräuschen arbeitet die Performance mit der im
Surrealismus entstandenen Methode der zufälligen Textproduktion «Cadavre
Exquis». Auf Projektions-
leinwänden ... werden Geschichten von Trauma und Widerstand durch die
Epochen und jenseits der Zeit aufgerufen. Zeit und Raum auf der Bühne
werden unentwegt umgestaltet: bewegte Bilder treffen auf aufgezeichnete,
Cello- und Klavierklänge vermischen sich mit elektronischem
Stimmengeflecht und digitale Raumraster brechen sich an der ans barocke
Chiaroscuro erinnerenden Beleuchtung." [schauspielhaus.ch]
Projektionen von Tanzenden, die sich zeitgleich auf der Bühne bewegen,
ergibt einzigartige Bühnenbilder. Sehr schön! |
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16.10.19
Opernhaus |
Herbert Fritsch
Der Freischütz von Carl Maria von Weber
"Unsere Freischütz-Produktion, die vor drei Jahren Premiere
hatte, wurde vom vielfach ausgezeichneten deutschen Schauspielregisseur
Herbert Fritsch inszeniert – mit seiner unverwechselbaren Handschrift,
die auf eine grellbunte und artistische, humorvolle und körperlich sehr
direkte Theatersprache abzielt. Fritsch lässt seine Freischütz-Gesellschaft
in den spektakulären, fantasievoll überzeichneten Kostümen von Victoria
Behr um eine puppenstubenhafte Dorfkirche tanzen, kostet das
Komödiantische im Stück lustvoll aus und schöpft alle Theaterkraft aus
dem exaltierten Spiel von Chor und Sängersolisten mit einem ewig Unsinn
treibenden Teufel Samiel immer mittendrin."
[Opernhaus]
Wunderbare Inszenierung; passend zu der doch ziemlich sonderbaren
Geschichte. Humorvoll, phantastisch farbig und viel Platz für skurile
Auftritte.
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20.10.19
Pfauen |
Nicolas Stemann
Faust I von J.W. Goethe
"Dieser Faust ist weit gereist. Die Inszenierung zählt zu den
wichtigsten Arbeiten der beiden Intendanten und wurde 2012 zum Berliner
Theatertreffen eingeladen. Theater Heute wählt sie zur Inszenierung des
Jahres, Benjamin von Blomberg wird als Dramaturg des Jahres
ausgezeichnet und das neue Ensemblemitglied Sebastian Rudolph als
Schauspieler des Jahres. In der Begründung der Jury für den 3sat-Preis
des Theatertreffens steht: «So wie Nicolas Stemann Faust Ⅰ & Ⅱ
inszeniert, hat man ihn noch nicht gesehen. Seine Inszenierung ist
selbst ein faustisches Ereignis, ein Grübeln und Ergründen, was dieses
Drama im Innersten zusammenhält, was es bereithält – für uns heute.»" [neu.schauspielhaus.ch]
Eine sagenhafte Schauspielleistung von Philipp Hochmair (Mephisto),
Sebastian Rudolph (Faust) und Patrycia Ziolkowska
(Gretchen). Eine umwerfende Inszenierung! |
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27.10.19
Schiffbau Box |
Suna Gürler
Flex
«Nachdem uns von Geburt an alle, wirklich alle – also Eltern, Nachbarn,
Lehrpersonen, Freundinnen, Youtube-Tutorials, Blicke auf der Strasse,
Blicke im Schwimmbad, überhaupt Blicke! – immer und immer wieder gesagt
haben, wie wir uns zu verhalten haben, wie wir auszusehen haben und vor
allem, was wir zu wollen haben, ist jetzt einfach mal Schluss damit. Wir
wollen endlich herausbekommen, wer wir eigentlich sind. Oder sein
wollen. Oder noch besser: sein könnten. Darum arbeiten wir an Flex –
einem Magazin, im dem wir die Ecken unseres Hirns beleuchten, die mit
Dingen vollgestopft sind, die wir da gar nicht haben wollen. Wir freuen
uns auf’s Ausmisten!» So schreibt das junge theater basel über Suna
Gürlers Inszenierung. Und das finden auch die sechs Spielerinnen, die
bei der Entstehung zwischen 17 und 23 Jahre alt waren und für Flex
sich selbst und viele Gleichaltrige gefragt haben, wie es denn
wirklich um ihre Selbstbestimmung steht – warum Mädchen so oft über ihre
Figur nachdenken, bevor sie an einem heissen Sommertag im Bikini ins
Wasser springen, warum Mann Frau-Stereotype so mächtig sind und wie
lange es noch dauert, bis wir sagen können: Der Feminismus hat kein
Geschlecht. [schauspielhaus.ch]
Authentische, witzige, eindringliche und spannende Inszenierung! |


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17.10.19
Künstlerhaus
Boswil |
Amandine Beyer & Gli Incogniti
"Ein schon seit langem gehegter Wunsch für die Boswiler Meisterkonzerte
geht mit der Verpflichtung der französischen Barock-Violinistin Amandine
Beyer und ihrem Ensemble Gli Incogniti in Erfüllung. Der Name des
Ensembles hat sein Vorbild in der venezianischen Musikvereinigung des
17. JH: Accademia degli Incogniti. Er passt zur Vorliebe der
Musikerinnen und Musiker für das Unbekannte in all seinen Formen, das
Experimentieren mit Klängen, die Erschliessung neuen Repertoires oder
die Wiederentdeckung der "Klassiker".
Ihre engagierte und stilistisch geschlossene Sicht auf die präsentierten
Werke gilt dem Übergang vom Barock zur Klassik mit Richter und Haydn,
vor allem aber mit Carl Philpp Emanuel Bach, der in seiner Musik
visionär Empfindsamkeit sowie Sturm und Drang vereint."
[Boswil aktuell]
Ein wunderbares Konzert mit einem hoch präzisen, virtuosen und
lustvollen Ensemble! |

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22.11.19
Pfauen |

Milo Rau
Orest in Mossul
"Milo Rau, künstlerischer Leiter des NTGent, inszeniert
Aischylos’ Orestie für die heutige Zeit. Die Idee dazu entstand
2016 während der Recherchearbeiten für seine Produktion Empire im
Nordirak an der Kriegsfront mit dem IS. «Es war, als befände man sich
gleichzeitig in einer Fernsehszene und in einem klassischen Epos»,
erklärt Rau. Wie lässt sich die nicht enden wollende Gewaltspirale
aufhalten, in der sich die Beteiligten des Bürgerkrieges in Syrien und
im Irak sowie ihre westlichen Alliierten befinden? In den ersten beiden
Akten von Aischylos’ Orestie scheint es keinen Ausweg zu geben
und nur eine vermag der Gewalt schliesslich ein Ende zu setzen: Die
Göttin Athene. Sie besänftigt die Rachegöttinnen, indem sie ihnen einen
Platz in der Gesellschaft zuteilt – wo der Hass versagt hat, bahnt sich
nun die Liebe einen siegreichen Weg.
Gemeinsam mit einem internationalen Ensemble versucht Milo Rau, die
antike Pracht der Tragödie zu bewahren und sie zugleich mit aktuellen
Konflikten zu verknüpfen. Welche Bedeutung kann der Orestie heute
zukommen, in Europa und in Mossul? Als Startschuss und erste
Zusammenarbeit zwischen dem Schauspielhaus Zürich und dem NTGent ist
Orest in Mossul in der Regie von Milo Rau die erste Produktion des
NTGent, die am Schauspielhaus Zürich aufgeführt wird."
[schauspielhaus.ch]
Geglückt ist die Zusammenarbeit, aber auch diese Produktion. Die Spirale
von Gewalt und Gegengewalt prägt unsere Zeit genauso wie viele
Schauspiele der Antike. Mutig! |

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28.11.19
Pfauen |
Christopher Rüping
Früchte des Zorns nach John Steinbeck
"Alle können es schaffen. Nur anstrengen muss man sich, arbeiten,
fleissig sein und sich nicht schonen. Dann können weder Armut noch
Naturkatastrophen und schon gar nicht andere Menschen einen aufhalten. So
ist zu Beginn von John Steinbecks epochalem Amerika-Epos die Familie
Joad überzeugt und mit diesem Glauben zieht sie los in den goldenen
Westen, wo überall Orangen wachsen und es Arbeit für jeden gibt. So
heisst es. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Nicht jede*r kann es
schaffen. Glück gehört dazu. Und Geld und Beziehungen und gelegentlich
eine ordentliche Prise Verschlagenheit. Der feste Glaube an den
amerikanischen Traum zersetzt sich allmählich, wird löchrig und
zerbricht. [schauspielhaus.ch]
Spannende Inszenierung, hie und da mit Längen. Den Text im Programmheft
zu Ende lesen vor der Aufführung, hätte mir beim Verständnis zusätzlich
geholfen. Textverständlichkeit nicht immer optimal -> Englische
Untertitel -> warum nicht auch Deutsch?
Ich werde ein zweites Mal hingehen.
[Fotos: Zoe Aubry]
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04.12.19
Pfauen |
Nicolas Stemann
Schneewittchen nach den Gebrüdern Grimm
"...Stoppstoppstopp! So wurde diese Geschichte wohl schon zur Genüge
erzählt. Aber: Was ist das überhaupt für ein Spiegel, der sich anmasst,
in diesem Schönheitswettbewerb den Richter zu spielen? Liegt Schönheit
nicht im Auge der Betrachtenden? Und hätten die sieben kleinen Herren
Schneewittchen auch aufgenommen, wenn sie keinen Finger in ihrer
Männer-WG gerührt hätte? Schneewittchens Vater muss derweil Geld
verdienen («Konto, Konto, Kontostand – wer ist der Reichste im ganzen
Land?») und kann ihr leider nicht helfen. Ausgehend von kindlichen
Erlebniswelten überschreibt Nicolas Stemann das altbekannte Märchen und
konfrontiert es mit dem oft absurden Alltag von Kindern und Eltern der
Gegenwart. Indem er ein Stück für die ganze Familie inszeniert, erfüllt
sich Stemann einen lang gehegten Wunsch. Denn die kindliche Anarchie und
die Assoziationsreigen, die all seine Inszenierungen durchziehen,
treffen mit dem Märchen auf ein Genre, das vermeintlich Kinder
anspricht, dabei aber so manche Frage stellt, auf die auch nur wenig
Erwachsene eine gute Antwort haben." [schauspielhaus.ch]
Aberwitzig, klug gebrochen, äusserst lustvoll gespielt, eine Freude!
[Fotos: Zoe Aubry]
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08.12.19
Kirche Oberstrass |
Tobias von Arb
Joyeux Noël
Zürcher Singkreis und das Ensemble Turicum
Henry Du Mont (1610-1684): Magnificat
Marc-Antoine Charpentier (1643-1704): Messe de Minuit pour Noël
Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville (1711-1772): Dominus regnavit
Michel-Richard de Lalande (1657-1726): Noëls en Trio
"Eine musikalische Gattung, die sich über mehrere Generationen von Komponisten
zu höchster Blüte und Lebendigkeit entwickelte und unter demselben Namen in
einer Stilepoche zu ganz unterschiedlichen Ausprägungen gelangte; die grosse
kirchenmusikalische Ausdrucksweise des französischen Barocks, wie sie in
deutschen Landen durch die "Kantate" verkörpertist: Das ist die "Grand Motet""
[Programmheft]
"Die «Grands Motets» sind typisch französisch und typisch Barock. «Gross» sind
sie wegen nicht nur wegen ihrer Besetzung - sondern auch wegen ihrer Funktion
als Repräsentationsmusiken für den Versailler Hof." [srf.ch] |
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18.12.19
Pfauen |
Yana Ross
Der Kirschgarten nach Anton Tschechow
"Wozu hier genau gespielt wird, werde nicht recht klar, so Simon Strauss
in der FAZ (16.12.2019). "Um zu zeigen, welche
Konflikte eine Tschechow'che Tragikomödie heute behandeln müsste? (...)
Oder um zu beweisen, dass Tschechows traurig funkelnde Komik sich nicht
so einfach doubeln lässt?" Bei Ross sei das hinzuerfunden Tragische zwar
ernst gemeint und durch die Figur eines ertrunkenen Sohnes auch
unterstrichen. "Aber irgendwie kommt der aus Improvisationen
entstandene, kollektiv polyphone Sprachkörper von Autor, Ensemble,
Regie und Dramaturgie' nicht richtig in Fahrt." Die einzige
Sprache, die diese heruntergekommenen Familienmenschen
miteinander sprechen können, ist die der Gewalt. Und damit werde
einmal mehr ein allzu improvisierter Punkt gemacht. Fazit: "Das,
was etwa einem Ewald Palmetshofer mit Hauptmanns 'Vor
Sonnenaufgang' vorzüglich gelungen ist: Die genaue Übertragung
der historischen Schicksalskonstellation in den
zeitgenössischen Duktus, das geht hier schief. Bei der
Überschreibung verrutschen die Abgründe." [nachtkritik.de,
Presseschau]
Das sehe ich leider auch so.
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[Fotos: Zoe Aubry]


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19.12.19
Schiffbau Box |
Trajal Harrell
Juliet&Romeo
"Nicht nur seine Art des Choreografierens spürt die in der zeitgenössischen
Popkultur überlieferten Gesten und Gebärden des Tragischen auf. Vor allem er
selbst, als Tänzer und Performer, entwickelt in seinen Bewegungen eine
gespensterhafte Kraft und eigentümliche Zeitlichkeit, die dem Tragischen Raum
bietet.
In seiner ersten Arbeit für ein deutsches Stadttheater hat sich Trajal Harrell
zusammen mit einem männlichen Darstellerensemble Shakespeares Romeo und
Julia angeeignet. Wie kann man den tragischen Moment des Todes (und der
Tode) am Ende von Shakespeares Vorlage ausweiten, ausdehnen und
aufrechterhalten? Wie geht es, die Sehnsucht zu verteidigen gegen die Verachtung
der Welt und gegen den Schmerz? Harrell, ein leidenschaftlicher Kämpfer für die
Unüberschaubarkeit der Welt, gibt dem zeitgenössischen Tanz Schönheit, Glamour,
Lässigkeit zurück. Theater? Realness!" [schauspielhaus.ch]
Ein eindrücklicher Abend. Eine ganz eigene Tanzsprache mit einzelnen Tänzern,
die auf Anhieb gar nicht als solche daherkommen. Aber das täuscht gewaltig!
Nachhaltig.
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[Fotos: Orpheas Emirzas]


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12.01.20
Boswil |
Boswiler Meisterkonzerte
Regula Mühlemann & Chaarts
"Regula Mühlemann wurde in Luzern geboren. Nach
ihrem Studium führten sie Engagements unter anderem als Despina («Così
fan tutte») ans Teatro La Fenice nach Venedig. Im Sommer 2012 gab sie
ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen. Sie sang diverse Opernpartien
im In- und Ausland. Regula Mühlemann ist Exklusivkünstlerin von Sony
Classical. Nach zwei Auftritten am Boswiler Sommer ist sie nun erstmals
Gast eines Meisterkonzerts. Eingebettet in Griegs Peer Gynt-Suiten
tummeln sich auf der imaginären Opernbühne dieses Konzerts zarte Feen-
und Wunderwesen! Da trifft man auf die entrückte Solveig, aber auch auf
die leidenschaftliche Königinnentochter Pamina. Regula Mühlemann, eine
der schönsten Sopran-Stimmen der Gegenwart, entwarf mit den exzellenten
Kammermusikern von Chaarts dieses märchenhafte Programm, das Wolfgang
Renz für grosses Kammerensemble kongenial instrumentiert hat."
[freiamt.regiomagazin.ch]
Gesang und Orchester vom Feinsten! |

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19.01.20
Opernhaus Zürich |
3. Philharmonisches Konzert
Dirigent: Gianandrea Noseda
Violoncello: Narek Hakhnazaryan
Philharmonia Zürich
Franz Schubert
Ouvertüre zu «Die Zauberharfe» («Rosamunde»), D 644 Pjotr
Tschaikowski
«Rokoko-Variationen» A-Dur op. 33
Felix Mendelssohn Bartholdy
Sinfonie Nr. 3 a-Moll («Schottische»)

Violoncello: Narek
Hakhnazaryan |
 
Dirigent: Gianandrea Noseda |
22.01.20
Schiffbau
Halle |
Nicolas Stemann
Aufstand von oben - Der Streik
"Wie sieht er aus, der Aufstand von oben und Traum vom Glück, wenn die
unternehmerische Elite – die selbsterklärten «wahren Künstler» – unter
sich bleibt, an einem Ort ohne Gesetze, Vorschriften und Verwaltung,
funktionierend mit einem autonomen Geldkreislauf und sich endlich selbst
verwirklicht?
Die Vorlage der zweiten Inszenierung von Nicolas Stemann am
Schauspielhaus Zürich ist der Roman Atlas Shrugged von Ayn Rand
aus dem Jahre 1957 – in der deutschen Übersetzung: Der Streik
(bzw. Atlas wirft die Welt ab, wie der Titel früher übersetzt
wurde). Ayn Rand beschreibt hier die Geschichte des Kapitalismus als
melodramatische Romanze.Es geht um eine Welt von Grossunternehmer*innen,
die sich in ihrer Schaffenskraft und Kapitalakkumulation durch
staatliche Regulierungen gebremst fühlen und daher beschliessen, in den
Streik zu treten. Sie ziehen sich spurlos verschwindend zurück aus der
Welt, um dieser zu zeigen, was passiert, wenn die Leistungsträger*innen
ihren Job hinwerfen. Mit Nicolas Stemann erfährt diese Erzählung nun
eine Überschreibung und wird zum Musical. Wir befinden uns in einer
dystopischen Welt und wippen gleichzeitig mit den Füssen. Ganz nach Ayn
Rand «Die Frage ist nicht, wer mich lässt, sondern wer mich stoppen
will.»" [schauspielhaus.ch]
Wiederum eine abwechslungsreiche, musikalische, auch spannende
Inszenierung von Nicolas Stemann.
Musiker, Bühnenbild&Kostüme und die engagierte Schauspieltruppe
überzeugen. Weiter so!
Bilder Gina Folly
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01.03.20
Pfauen |
Alexander Giesche
Der Mensch erscheint im Holozän,
nach der Erzählung von Max Frisch
"Da rutscht ein Berg ab und ein Mensch verliert sein Gedächtnis. Viel
mehr passiert erst einmal nicht in der Erzählung Max Frischs, die vor 40
Jahren erschienen ist. Der Protagonist Herr Geiser und der Berg driften
sanft ins Vergessen. Die Katastrophe dauert und es gibt Schönes in ihr.
So auch heute, da dem erdgeschichtlichen Zeitalter Holozän, in dem die
Erde sich seit knapp 12.000 Jahren befindet, der Rang abgelaufen wird
vom Anthropozän, dessen Name (anthropos = ‹Mensch› auf Altgriechisch)
dem menschlichen Einfluss auf die Erdgeschichte Rechnung trägt. Es wird
eine Zeit nach der menschlichen geben, so wie es eine Zeit vor ihr gab:
«Katastrophen kennt allein der Mensch, die Natur kennt keine
Katastrophen», – schreibt jedenfalls Max Frisch. Wird aber womöglich der
Mensch, so mag man fragen, in letzter Minute nicht doch von seiner
Erfindungsgabe gerettet, von seiner innigen Beziehung zur Technologie?
Unter einem fast zärtlichen Blick verschwindet der Mensch und
Demenzkranke Herr Geiser in der Erzählung – statt der Erdmassen erodiert
hier langsam ein Selbst. Aber: Liegt im Vergessen nicht auch eine
Erleichterung? Die Ästhetik Alexander Giesches, die sich immer zwischen
Virtuellem und Analogem, zwischen Simulation und allzu Realem bewegt,
macht die Schönheit in der Katastrophe und ihre Potenziale zur Heilung
spürbar." [schauspielhaus.ch]
Einige sehr schön komponierte (Regen-)Bilder. Das fast beinahe tanzende
Spitalbett, die Auftritte der 3D-Tierchen und Tyrannosaurus Rex haben
mir sehr gut gefallen. Leider wieder: Laut die Lautsprecherwiedergaben
(Hörgeräte zurückstellen), zu leise und undeutlich die gesprochenen
Texte (Hörgeräte hinauffahren...) |



[Fotos: Zoe Aubry] |